20. Februar 2018 | Marathon-News

Jeden kann es erwischen – Medizinische Hintergründe und Tipps zum (sportlichen) Verhalten bei Erkältungskrankheiten – Dr. med. Willi Heepe

Wir wissen nicht genau, wann er kommt und wie sie lange er anhält, aber er kommt bestimmt der Winter. Er bringt das Wetter mit sich, das der Läufergemeinde nicht schmeckt und nicht bekommt. Er geht erfahrungsgemäß einher mit vermehrtem Auftreten grippaler und bronchialer Infekte, oft gekennzeichnet durch lange Verlaufsdauer und häufig getragen von Intervallen.

 

Was ist gefährlich an diesen Infekten? Was macht sie so besonders? Warum sind Läufer nicht geschützt? Denn wir gehen ja davon aus, dass uns der Sport gesund hält, dass alle, die Sport treiben, nie erkranken und mit diesen Problemen eigentlich nicht konfrontiert werden. Diese Annahme ist falsch.

 

Grundsätzlich kann es jeden erwischen. Niemand ist letztlich und endlich völlig geschützt. Was können wir tun? Wie können wir uns schützen? Wie können wir die Gefahr häufiger Infekte minimieren?
Generell gilt, moderater Sport mit viel Bewegung in der Natur ist ein hervorragendes Training des Immunsystems. Zusätzliches Immuntraining durch Wechselduschen, Saunabaden, kalte Güsse etc. sind hervorragende Instrumente, die die Reagibilität (Reaktionsfähigkeit auf äußere Reize) des Immunsystems günstig beeinflussen.

 

Auch eine gesunde, vitaminreiche Kost dient der Stabilisierung des Immunsystems. Doch generell gilt auch, dass es bisher keine überzeugenden medikamentösen, geschweige denn vorbeugenden Konzepte gibt, die eine Infektion verhindern bzw. das Auftreten von Infekten gänzlich verhindern könnten. Es gibt hier keine Wundermittel. Solide sind selbstverständlich Schutzimpfungen, wie die Grippeimpfung oder ein anderweitig ausreichender Impfstatus gegen alle üblichen Risiken, die durch eine aktive Impfung Immunität gewährleisten können.

 

Hautpflege als erste Barriere
Wie sieht das Schutzregime des Menschen aus? Wir alle besitzen ein ungeheuer ausgeklügeltes Immunsystem mit einer Abwehrfront, von der jeder Kriegsherr in seinen Planungen lernen könnte.
Die erste Immunbarriere stellt immer die Haut dar. Eine gut gepflegte, nicht ausgetrocknete Haut mit einem ausreichenden Säureschutzmantel ist eine hervorragende Immunbarriere, um schon an der Haut Kontaktkeime etc. abzufangen und gegebenenfalls auch durch den Säurepanzer zu töten.

 

All zu intensives Reinigen, all zu intensives Waschen und Stören dieses Schutzmantels kann schon die Infektabwehr reduzieren und uns anfälliger für zahlreiche Infekte machen. Die zweite Barriere sind die Schleimhäute, beginnend im Mund, in den Rachen- und Kehlkopfbereich übergehend, bis hinunter in die Bronchien und ihre weiten Verzweigungen. Diese Immunbarriere ist eine der empfindlichsten und anfälligsten. Die Schleimhäute sind schon im Bereich des Mundes durch einen schlechten Zahnstatus häufig mit Bakterien durchsetzt und haben eine geminderte Abwehrkraft. Die Schleimhäute selbst können Gegner einigeln, können ihn durch ihren permanenten Sekretfluss wieder nach außen transportieren. Insbesondere haben die Bronchien hier hervorragende Eigenschaften. Auf unserer Bronchialschleimhaut bis in die Tiefe der verzweigten Bronchien befindet sich ein ausgeklügeltes Abwehrsystem mit hohen zylindrigen Zellen, welche permanent eine zähfließende Schleimflüssigkeit produzieren, die von auf den Bronchien befindlichen Flimmerhärchen in einer Permanentbewegung Richtung Kehlkopf transportiert wird, sodass sämtliche eingeatmete Staub-und Dreckpartikel, auch Keime, auf diesem Wege wieder den Ausgang finden. Die gestörte Funktion dieser Flimmerhärchen, z. B. durch Rauchen, z. B. durch Gase und Gifte, kann zur Stagnation dieses Flusses führen und damit zu gehäuften Entzündungen im Bereiche der Bronchien. Doch gerade dieses Körpersegment ist bei vielen Sportlern auch sehr empfindlich. Sie reagieren auf Kälte und andere Reize mit einer sogenannten Überempfindlichkeit, einer Hyperreagibilität. Diese beinhaltet eine mangelnde Verflüssigung des Schleimes, eine örtliche Entzündungsreaktion und eine Engstellung der Bronchien.

 

Dieser Teufelskreis kann im Prinzip nur durch eine kombinierte, ausgetüftelte, fachärztlich verordnete Medikation durchbrochen werden. Mit Gewalt ist hier kein Gegenmittel gegeben, sondern ein sorgfältiger Umgang mit dem eigenen Körper, eine gute Behutsamkeit und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Sportler sind an dieser Stelle erforderlich. Häufig werden gerade im Bereiche der Bronchien unsinnige Strategien gefahren, unsinnige Medikationen oder auch unsinnige Therapien entwickelt. Ein sorgfältiger, pflegender Umgang mit diesem ausgeklügelten Abwehrsystem ist eine der besten Grundlagen einer gesunden Immunlage.

 

Trainingspause bei Infekten
Gelingt es trotzdem einem Keim, den Körper zu erreichen, so ist eine Verbreitung meistens unaufhaltsam. Er breitet sich je nach Typ in verschiedenen Körpergeweben aus. Gewöhnliche Grippeinfekte bevorzugen das Muskelsystem, bekannt auch durch die Muskel- und Gelenkschmerzen, die in Begleitung von Virusinfekten wahrgenommen werden. Ist dieser Zustand erreicht, gibt es nur ein Medikament: Ausreichend viel trinken, wenn nötig, eine fiebersenkende oder schmerzstillende Tablette (z. B. Aspirin oder Paracetamol oder ähnliche). Nach solchen Infekten ist immer eine ausreichende Ruhezeit erforderlich, bis die Aufquellungsreaktionen in den Geweben sich wieder vollständig zurückgebildet haben. Dies kann unter Umständen bis zu vier, oder gar auch bis zu sechs Wochen dauern. An dieser Stelle wird häufig gesündigt, dass zu viel und zu früh mit dem Training begonnen wurde. Auch die Irrtümer früherer Laufpäpste, die darin bestanden, dass sie glaubten, mit der künstlichen Temperaturerhöhung durch den Laufsport Fieberinfekte zu besiegen. Ein gefahrlicher Irrtum, denn in der fieberhaften Erkrankung sich zu aktivieren, kann bedeuten, dass diese Infekte nur vermehrt im Körper verteilt werden und insbesondere den Herzmuskel gefahrden. Letzterer ist unser größtes Sorgenkind. Die Beteiligung des Herzmuskels sinkt bei Fieberinfekten nur schwer erkennbar und ist nur schwer diagnostizierbar. Das „Abhören“, die Laborwerte, das EKG und der Ultraschall bringen hier häufig nicht die ausreichende Klärung. Häufig sind weitergehende Untersuchungsmethoden, wie Stressechocardiografie, Belastungs-EKG oder MRT-Ableitungen erforderlich, um zu einer Wahrheitsfindung zu gelangen. Denn zieht man das Fazit von allen Sporttoten, so sind bei 1.200 die in Deutschland jährlich eintreten, viele zu verhindern. Denn die meisten Fälle davon sind Folgen von Entzündungen mit Herzbeteiligung, die nicht erkannt, nicht wahrgenommen und nicht diagnostiziert worden waren.

 

Hier liegt das eigentliche Präventionspotenzial. Dies zu nutzen, bedarf es zwischen Arzt und Sportler einer harmonischen, engen Zusammenarbeit. Und gegebenenfalls muss hier der Arzt ein höheres diagnostisches Potenzial verantworten, um Schaden vom Sportler fernzuhalten. Doch die trübe Wetterzeit geht vorüber. Die Sonnenstrahlen kommen und die Erkenntnis wird in jedem Sportler reifen: Das eigentliche Wunder, gesund in den Frühling zu laufen, liegt in uns allen selbst, in einer gesunden Beobachtung des Körpers, auch in der Fähigkeit sich in einem Infekt aus dem Rennen zu nehmen und einmal eine Woche spazieren zu gehen oder gar nichts zu tun. Auch dies ist für die Gesundheit und für die Kondition besser, als sich durch Infektmechanismen mit Gewalt hindurchzuquälen.

Was ist gefährlich an diesen Infekten? Was macht sie so besonders? Warum sind Läufer nicht geschützt?