13. Februar 2018 | Marathon-News

„Sportliche Sternstunden der Marathongeschichte in Frankfurt“

Renndirektor Jo Schindler über die Highlights in drei Jahren deutsche Meisterschaften in Frankfurt  sowie die immensen Versäumnisse des DLV.

 

Drei Jahre Deutsche Marathonmeisterschaften in Frankfurt: Welche Momente sind Dir prägend in Erinnerung geblieben?
Bei der Betrachtung der DM möchte ich zwei Seiten einer Medaille unterscheiden. Zum einen die wichtigere Seite: die Athleten, sowohl die deutschen Profis als auch die vielen Freizeitläufer.
Und andererseits der Deutsche Leichtathletik Verband. Wir hatten wunderbare Erlebnisse, ja ich würde sogar von Sternstunden in der über 30-jährigen Geschichte des Mainova Frankfurt Marathon sprechen mit den deutschen Spitzenathleten und tollen Altersklassenläufern. Ich denke an den deutschen Rekord durch Arne Gabius und die europäische Bestleistung durch Klemens Wittig erinnern, an den Heimsieg von Katharina Heinig und an die vielen Newcomer wie Jonas Koller, Laura Hottenrott oder Franzi Reng, denen es in Frankfurt eindrucksvoll gelang, in die Fußstapfen der Etablierten zu treten. Das alles waren wunderbare Momente der Deutschen Meisterschaften.

 

Und die Kehrseite der Medaille?
Es gilt festzustellen, dass die sportlichen Highlights allein an uns und unserem besonderen Verständnis von Marathon in Frankfurt lag. Denn das Engagement des Verbandes für seine Meisterschaften ist erbärmlich – das hat mich wirklich schockiert. Wir haben jedes Jahr über 100.000 Euro in die Startfelder der Deutschen Marathonmeisterschaften investiert, um die deutschen Läufer nachhaltig zu unterstützen. Dies hatten wir zu Beginn auch dem Verband gegenüber angekündigt, nur gab es in diesen drei Jahren leider kein einziges sportlich inhaltliches Gespräch zwischen dem DLV und uns. Es gab lediglich Gespräche mit der Vermarktungsagentur des DLV über die Lizenzgebühr, die wir an den Verband zu zahlen haben und danach organisatorische Abstimmungsgespräche. Inhaltlich war dem Verband seine Meisterschaft völlig egal und das halte ich persönlich für einen Skandal. Wer mich kennt, weiß, dass ich dem DLV und seiner Agentur DLM stets kritisch eingestellt war. Ich war immer der Ansicht, dass die zu wenig aus dem „langen Laufen“ machen. Aber dass es so wenig ist, wie es in diesen drei Jahren nun erlebt habe, das hätte ich dennoch nicht für möglich gehalten. Ein krasses Beispiel: Im Jahr 2017 wurde erstmals die Altersklasse Männer über 85 eingeführt, zugleich wurde vom DLV „vergessen“, die Zielzeiten dem neuen Höchstalter anzupassen. Dies führt dazu, dass 85-Jährige unter 5:15 Stunden laufen müssten, um als Deutscher Meister gewertet zu werden. Arne Haase war ein grandioser Sieger der über 85-jährigen. Leider aber nicht Deutscher Meister, denn er benötig te 5:55 Stunden.

 

Mit welchen Zielen hat sich der Frankfurter Laufklassiker damals um die Ausrichtung der DM beworben?
Unser Ziel war es, die deutschen Topathleten nachhaltig zu unterstützen, ihnen eine schöne, medial herausragende Bühne in Frankfurt zu bieten und damit in der Rückkopplung natürlich auch einen Imagegewinn für den Mainova Frankfurt Marathon erzielen zu können. Einer meiner ersten Vorschläge an den DLV war, den Fernsehvertrag, der zwischen dem Verband und der SportA (Sportrechteagentur der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten) besteht, zu nutzen, damit auch die Deutschen Marathonmeisterschaften in ARD oder ZDF gezeigt werden. Natürlich nicht live, das macht das hr-Fernsehen seit Jahren als unser Partner ganz hervorragend, aber eine fünfzehnminütige Zusammenfassung sollte möglich sein. Leider hat der DLV dies nie verfolgt. Weshalb nicht, das wurde mir nie erläutert. Meine Nachfrage blieb unbeantwortet. Wir hatten die Absicht, die deutschen Marathon-Meisterschaften wirklich wieder zu einem Wettkampf der besten deutschen
Marathonläufer zu machen. Hierfür waren wir bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen, denn deutsche Profiathleten, die ihren Lebensunterhalt durch ihren Sport verdienen müssen, können nun mal nicht nur für eine Urkunde des DLV an einer Meisterschaft teilnehmen. Dies gelang uns teilweise. Zum einen wollten nicht alle deutschen Spitzenläufer bei uns starten, auch wenn wir finanziell entsprechend gute Angebote machten. Mir ist in diesen drei Jahren klargeworden, dass der deutsche Meistertitel den Läufern relativ egal ist. Und da kommt auch wieder der Verband ins Spiel.

 

Inwiefern?
Er könnte diese Meisterschaft nutzen, um junge Athleten über eine dreijährige Strecke zu entwickeln – sie erst als Tempomacher bis zur Halbmarathonmarke einsetzen, dann der erste Marathonstart um Erfahrung zu sammeln und dann im dritten Jahr mal schauen was geht. Gleichzeitig könnte man Läufer aus der dritten in die zweite Reihe bringen und so weiter und so weiter. Sportlich bietet so ein international bedeutender Marathon wie in Frankfurt eine hervorragende Basis, um Athleten zu entwickeln. Aber leider auch hier: kein Thema für den Verband, keinerlei Gespräch – nichts. Das finde ich sehr enttäuschend. Einerseits enttäuschend für uns, aber auch für die deutschen Marathonläufer, einen Verband zu erleben, dem dies alles völlig egal ist. Das macht wenig Mut, auf den Leistungssport zu setzen. Selbstverständlich hatten wir Gespräche mit örtlichen Trainern und Athleten. Der DLV als solcher trat aber nie in Erscheinung, um diese Meisterschaften für seine Athleten zu nutzen.

 

Wie hat die Laufszene das dreijährige Frankfurter Engagement bewertet?
Wir erhielten überwiegend positives Feedback. Ich bin da immer etwas vorsichtig, ob das, was rückgespiegelt wird, auch immer ganz ehrlich ist, ob da nicht jemand seine Kritik nur hinter vorgehaltener Hand äußert. Aber wenn man dies mal ausblendet, gab es viel Lob und sehr wenig Kritik.

 

Ist es dennoch vorstellbar, dass Frankfurt sich irgendwann wieder um die DM bewerben wird?
Ich würde mich nur wieder bewerben, wenn es vom DLV ein sportliches Signal und ein klares Konzept hierzu gibt. Für ein einfaches „weiter so“ stehen wir nicht zur Verfügung.

Renndirektor Jo Schindler über die Highlights in drei Jahren Deutsche Meisterschaften in Frankfurt sowie die immensen Versäumnisse des DLV.