11. Dezember 2017 | Marathon-News

15 Minuten Glück

Im Massagebereich in der Messehalle werden die Körper der Marathonis gepflegt – und immer auch die Läuferseele

 

Es gibt ja bei Läufern den geflügelten Satz, im dem es heißt, dass das Beste bei einem Marathon die Massage danach ist. Andreas Krüger mag da nicht widersprechen. „Genauso ist es“, bestätigt er, nachdem er gerade von der Massagebank geklettert ist und sich wieder ankleidet. Fünfzehn Minuten Entspannung und Pflege liegen hinter ihm, wobei Pflege hier ein weites Feld ist. Sicher, die Masseurin hat Andreas‘ verhärte Wadenmuskulatur so gut behandelt, dass die Krämpfe, die er  während und nach dem Rennen erlitt, spurlos verschwunden sind.

Aber im Massagebereich in der Messehalle geht es um mehr – nämlich auch um die Pflege der Seele. „Ich konnte total entspannen“, beschreibt Andreas seine Viertelstunde unter professioneller Handarbeit. Manche der Läufer auf den 39 parallel aufgereihten Liegen wollen gerne reden und ihre Erlebnisse des Renntags loswerden, Andreas dagegen wollte einfach nur Ruhe und abschalten und schweigen. Nach 3:11:11 Stunden erreichte Andreas das Ziel in der Festhalle, optimal war das nicht gemessen an seinen Ansprüchen.

Vorsichtig ausgedrückt könnte man Andreas eine Marathonsucht unterstellen, schließlich war der Laufklassiker am Main in diesem Jahr sein zehntes Rennen über die klassische Distanz. Zwei Wochen vor dem Lauf durch die Mainmetropole stand der Lauf in Posen auf dem Programm, dem größten Marathon in Polen. Auch dort wird den Läuferinnen und Läufern im Ziel eine Massage angeboten – wenngleich unter etwas anderen Umständen. Dürfen die Läufer in Frankfurt erst nach einer Dusche auf die Massagebank, sprangen sie in Posen vor der Behandlung in eine Art Planschbecken. Jeder nacheinander, alle ins selbe Wasser. Quasi wie beim wöchentlichen Familienbadetag im vorigen Jahrhundert.

Dass in Frankfurt nicht nur die Hygiene, sondern auch die Behandlung auf hohem Niveau ist, hat Petra Bergmann im Blick. Sie ist die Bereichsleiterin Massage beim Mainova Frankfurt Marathon. Die selbstständige Physiotherapeutin aus Darmstadt ist dabei wie eine große Meisterin für die vielen Helferinnen und Helfer, die in diversen Physiotherapieschulen ihre Ausbildung absolvieren.

Der Einsatz beim Marathon dient den jungen Leuten als Intensivkurs für Körperkunde und Massagetechnik. Schließlich müssen in dichter Abfolge zig verschiedene Körper behandelt werden, Männer, Frauen, Junge, Alte. Hier sind es betonharte Oberschenkel, dort steife Rücken oder schmerzende Füße. Ein Läufer aus Jerusalem war beispielsweise derart bewegungsunfähig, dass Petra Bergmann schon ein paar spezielle physiotherapeutische Handgriffe anwenden musste, damit der Mann wieder gehen konnte.

„Grundsätzlich stehen aber die Aspekte Lockerung, Entstauung und Lymphdrainage im Vordergrund“, sagt Petra Bergmann. Nach 42,195 Kilometern brauchen Beine sanfte Hände, eine intensive, zupackende Massage würde alles nur noch schlimmer machen. Es wird allerdings nicht nur einfach ein Standardprogramm  abgespult, sondern die Helfer müssen den jeweiligen „Patienten“ auch im Auge behalten, mahnt Petra Bergmann. Schließlich kühlen viele schnell aus, es drohen Kreislaufprobleme, weil der Körper nach so einem harten Lauftag in einen Ruhemodus versetzt wird.

Anna Sicklinger hat das alles im Blick, schließlich stand sie bereits im Jahr zuvor an einer der Frankfurter Marathon-Massagebänke – von 11 bis 17 Uhr wurde durchmassiert, nur unterbrochen von fünf Minuten Pause. Mittlerweile ist die 19-Jährige im dritten Jahr ihrer physiotherapeutischen Ausbildung, und der Einsatz beim Marathon ist für sie immer noch ein Gewinn. Gewiss, ist sie abends rechtschaffen erschöpft, aber sie fährt auch mit einem guten Gefühl nach Hause, „denn die Leute freuen sich über meine Arbeit“. Und diese Freude ist eine Bestätigung nicht nur der Arbeit von Anna Sicklinger – es wird allen ihren Kollegen so gehen. Nach einem anstrengenden Lauf über den harten Frankfurter Asphalt verschenken sie einer Halle der Frankfurter Messe 15 Minuten Glück.

Nach einem anstrengenden Lauf über den harten Frankfurter Asphalt verschenken sie einer Halle der Frankfurter Messe 15 Minuten Glück.