11. Dezember 2019 | Marathon-News

„Du läufst wie eine Ente“

Oscar Caro schiebt seinen Sohn im Rollstuhl über Laufstrecken rund um den Globus. Um David ein erfülltes Leben zu bieten – und um Familien in derselben Situation zu inspirieren.

 

Oscar Caro ist eine strahlende Erscheinung. Das hängt nicht damit zusammen, dass am warmherzigen Kolumbianer ein lauter Bühnenmensch verlorengegangen ist. Im Gegenteil. Was er sagt und wie er auftritt, wirkt bodenständig, fast wie menschgewordenes Mitgefühl. Da folgt dem festen Händedruck und dem stets aufrichtigen Lächeln auch schnell das „Du“. Vielleicht ist es auch die Kombination aus seiner freundlichen Mimik und der kräftigen Statur, die ihn zum strahlenden Kumpeltyp machen, jemand auf den man sich verlassen kann, der durchweg positiv denkt. Denn über seinem freundlichen Charakter steht immer noch etwas anderes, elementareres: Oscars Liebe für seinen Sohn David, der unter Cerebralparese leidet, eine Nervenkrankheit, die ihn an den Rollstuhl fesselt.

 

Die Richtschnur, welche die beiden nach Frankfurt und die weite Welt geführt hat, war Oscars Versprechen an David, ihn solange bedingungslos zu lieben, bis er eines Tages nicht mehr bei ihm sein kann. Er änderte sein Leben für David. „Damals war ich total unsportlich“, erzählt er in sehr gutem Deutsch. Doch seit etwas mehr als drei Jahren läuft er Marathon und startet bei Triathlonwettbewerben – mit, oder besser gesagt, dank seines Sohns. „Bei einem 10-Kilometer-Lauf hatte ich die Idee, ihn im Rollstuhl mitzuschieben. Das hat ihm so gut gefallen, dass er mich gefragt hat, wann wir wieder an einem Lauf teilnehmen. Da konnte ich ihn nicht enttäuschen“, sagt er und blickt lächelnd zu seinem Sohn. „Du läufst wie eine Ente“, musste sich Oscar zu Anfangszeiten noch von David anhören. Inzwischen hat der durchtrainierte Freizeitathlet fünf Marathons und sechs Triathlons mit seinem Sohn absolviert. Per Schlauchboot auf dem Wasser, per Anhänger am Rennrad oder im Sportrollstuhl auf der Laufstrecke befördert ihn Oscar über jedes Hindernis dieser Welt. 15 bis 20 Stunden Training pro Woche investiert er in seine Vorbereitung. „Am Anfang war ich völlig ratlos, wie ich das schaffen soll, besonders Triathlon.“ Jetzt treten sie unter dem Namen „Team Caro Wagner“, dem Nachnamen der beiden, als Inspiration für andere beeinträchtigte Kinder an.

 

Weil in Kolumbien nicht dieselben Möglichkeiten bezüglich Sponsoren herrschen wie in Europa, leben Vater und Sohn auf ihren Wettkampfreisen bescheiden beziehungsweise kommen bei Vereinen unter. Aufmerksamkeit haben sie längst auf sich gezogen: Radsport-Superstar Peter Sagan bot den beiden jüngst eine gemeinsame Fahrradtour durch ihre Heimatstadt Barranquilla an. In Frankfurt erreicht das Duo nach 5:10 Stunden das Ziel und erobert die Herzen der Festhalle. Zweifel, dass Oscar nicht ins Ziel komme, seien ohnehin unbegründet, sagt er: Er besitze schließlich zwei Motoren. Ein Motor sei sein eigener Körper. Der zweite sein Sohn David.