16. Oktober 2020 | Running-News

Halbmarathon-WM-Rennen der Frauen: Neuer Zweikampf Kenia gegen Äthiopien, Melat Kejeta startet erstmals für Deutschland

Zu einer neuen Auflage des schon klassischen „Langstrecken-Länderkampfes“ zwischen Kenia und Äthiopien dürfte es am Sonnabend beim Halbmarathon-Weltmeisterschaftsrennen der Frauen kommen. Nachdem mit Sifan Hassan (Niederlande) eine der Topfavoritinnen überraschend auf den Start bei den einzigen globalen Leichtathletik-Titelkämpfen des Jahres verzichtet hat, wäre alles andere als eine Siegerin aus Kenia oder Äthiopien eine große Überraschung. Während Ababel Yeshaneh (Äthiopien) und Peres Jepchirchir (Kenia) in Gdynia (Polen) als Favoritinnen gelten, hat auch eine deutsche Läuferin recht gute Platzierungschancen: Melat Kejeta (Laufteam Kassel), die aus Äthiopien stammt und seit März 2019 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wird erstmals in ihrer Karriere für Deutschland an den Start gehen.

 

Es hätte ein hoch interessantes Rennen werden können, wenn neben den Afrikanerinnen noch – die ursprünglich natürlich aus Äthiopien stammende – Holländerin Sifan Hassan gestartet wäre. Sie brach vor gut einem Monat in Brüssel den Weltrekord im Stundenlauf und lief vor kurzem einen Europarekord über 10.000 m. Eigentlich sollte die Halbmarathon-WM ihr Saisonhöhepunkt sein – und ihre Topform auf der Bahn machte sie zu einer Titel-Anwärterin. Doch nun verzichtete Sifan Hassan auf diese WM, um sich langfristig voll auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr konzentrieren zu können.

 

Mit Ababel Yeshaneh und Peres Jepchirchir treffen zwei Läuferinnen aufeinander, die beide in diesem Jahr schon einen Weltrekord über die 21,0975 km lange Distanz aufstellten – und beide diese Marke auch nach wie vor halten. Diese ungewöhnliche Konstellation erklärt sich damit, dass der internationale Leichtathletik-Verband World Athletics seit einigen Jahr bei den Straßenrennen sowohl Frauen-Weltrekorde aus gemischten Rennen (mit Männern, wie im Straßenlauf traditionell üblich) als auch Rekorde aus reinen Frauenrennen führt. Ababel Yeshaneh stellte im Februar in Ras Al Khaimah (Vereinigte Arabische Emirate) den „echten“ Weltrekord auf mit einer Zeit von 64:31 Minuten. Im reinen Frauenrennen von Prag lief Peres Jepchirchir den „Women Only World Record“ von 65:34, verfehlte jedoch ihre persönliche Bestzeit um rund eine halbe Minute (65:06).

 

Doch es sind weitere Läuferinnen in der Lage, in den Titelkampf einzugreifen. Am Start sein wird am Sonnabend die Titelverteidigerin Netsanet Gudeta (Äthiopien/Bestzeit: 65:45). Und auch jene Athletin, die vor zwei Jahren bei dieser WM Zweite war, geht in Polen ins Rennen: Die Kenianerin Joyciline Jepkosgei hat eine Weltklasse-Bestzeit von 64:51 Minuten. Ihre Landsfrau Rosemary Wanjiru (65:34) ist ebenso stark einzuschätzen wie die beiden Äthiopierinnen Zeineba Yimer (65:46) und Yalemzerf Yehualaw (66:01).

 

Die einzige Europäerin, die zuletzt in ähnliche Bereiche wie die stärksten Afrikanerinnen laufen konnte, ist Lonah Salpeter. Die aus Kenia stammende Athletin wurde in Israel zur Weltklasseläuferin und startet für dieses Land, das im Sport Europa zugehörig ist. Salpeter ist die amtierende 10.000-m-Europameisterin. Sie hat eine Halbmarathon-Bestzeit von erstklassigen 66:09 Minuten und gewann in diesem Jahr den Tokio-Marathon mit einer Jahresweltbestzeit von 2:17:45. Eine weitere frühere Kenianerin könnte in Polen eine vordere Platzierung erreichen: Eunice Chumba (Bahrain) geht mit einer Bestzeit von 66:11 ins Rennen.

 

Melat Kejeta kann am Sonnabend eine sehr starke Premiere im Trikot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) laufen. Denn die 28-Jährige, die eine Bestzeit von 68:41 Minuten aufweist und in dieser Saison 68:58 erreichte, geht als siebtschnellste Läuferin ins Rennen, wenn man unter den Starterinnen nur die Ergebnisse dieses Jahres zugrunde legt. Es sind natürlich eine Reihe von weiteren Athletinnen dabei, die deutlich schnellere Bestzeiten aufweisen, jedoch in diesem Pandemie-Jahr bisher nicht im Halbmarathon gestartet sind. Daher ist schwer einzuschätzen, was für eine Platzierung für Melat Kejeta möglich sein wird. Ein Rang zwischen 15 und 20 wäre sicherlich eine gute Leistung. Doch vielleicht ist mehr möglich, wenn nicht alle in Topform sind. Melat Kejeta hat bei ihrem Sieg in Frankfurt vor rund einem Monat mit einer Zeit von 69:04 Minuten gezeigt, dass sie in der Vorbereitung auf die WM auf einem sehr guten Weg war.

 

Ein starker Lauf von Melat Kejeta wäre eine Grundlage für ein gutes Team-Resultat der DLV-Athletinnen. Die besten drei einer Nation kommen hier in die Wertung. Deborah Schöneborn (71:37), Rabea Schöneborn (beide LG Nord Berlin/71:40) und Laura Hottenrott (TV Wattenscheid/71:56) haben in diesem Jahr jeweils persönliche Bestzeiten aufgestellt. Außerdem wird Fabienne Königstein (MTG Mannheim) in Gdynia starten. Sie lief in diesem Jahr 74:03 Minuten, hat aber eine persönliche Bestzeit von 71:39. Nicht starten wird bei der WM Alina Reh (SSV Ulm), die vor kurzem aufgrund eines Dopingfalles einer vor ihr platzierten Läuferin nachträglich die Europameisterschafts-Bronzemedaille 2018 über 10.000 m erhielt. Sie beendete ihre Saison vorzeitig, um die Bundeswehr-Grundausbildung zu absolvieren, nachdem sie in die Sport-Fördergruppe aufgenommen wurde.

 

 

Halbmarathon-Statistik

 

Rekorde

 

Weltrekord:                 64:31   Ababel Yeshaneh      ETH     Ras Al Khaimah/UAE 2020

Europarekord:            65:15   Sifan Hassan              NED    Kopenhagen               2018

Deutscher Rekord:     67:58   Uta Pippig                  Berlin   Kyoto / JPN                1995

 

Die Jahres-Weltbestenliste

 

64:31   Ababel Yeshaneh       ETH    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

64:49   Brigid Kosgei              KEN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

65:34   Rosemary Wanjiru      KEN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

65:34   Peres Jepchirchir       KEN    Prag                                        5.9.2020

66:01   Eveline Chrichir          KEN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

66:16   Joan Melly                  KEN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

66:35   Yalemzerf Yehualaw  ETH    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

66:37   Ashete Bekere            ETH    Barcelona                               16.2.2020

66:37   Magdalena Shauri      TAN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

66:38   Hitomi Niiya                JPN     Houston                                  19.1.2020

66:38   Vivian Kiplagat            KEN    Ras Al Khaimah (UAE)          21.2.2020

 

 

Die deutsche Jahres-Bestenliste

 

68:56   Melat Kejeta               Laufteam Kassel                    Ras Al Khaimah /UAE                       21.2.2020

70:08   Alina Reh                    SSV Ulm                                Barcelona                               16.2.2020

71:37   Debora Schöneborn   LG Nord Berlin                       Barcelona                               16.2.2020

71:40   Rabea Schöneborn    LG Nord Berlin                       Barcelona                               16.2.2020

71:40   Miriam Dattke             LG Telis Finanz Regensburg Barcelona                               16.2.2020

71:56   Laura Hottenrott         TV Wattenscheid                    Barcelona                               16.2.2020

72:23   Katharina Steinruck   Eintracht Frankfurt                 Frankfurt                                13.9.2020

73:10   Domenika Mayer        LG Telis Finanz Regensburg Barcelona                               16.2.2020

73:26   Thea Heim                  LG Telis Finanz Regensburg Barcelona                               16.2.2020

74:03   Fabienne Königstein   MTG Mannheim                    Neapel                                    23.2.2020

 

Text und Statistik: race-news-service.com

Foto: RAK / Colombo

Mit Ababel Yeshaneh startet bei der Halbmarathon-WM die aktuelle Weltrekordlerin über diese Distanz. | Foto: RAK / Colombo