19. Oktober 2020 | Running-News

Melat Kejeta gewinnt sensationell Silber bei Halbmarathon-WM hinter Peres Jepchirchir

Melat Kejeta sorgte für die Sensation des Tages bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften im polnischen Gdynia. Die 28-jährige Athletin des Laufteams Kassel gewann die Silbermedaille mit einer deutschen Rekordzeit von 65:18 Minuten. Die aus Äthiopien stammende Läuferin, die seit März 2019 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, war nur zwei Sekunden hinter der neuen Weltmeisterin Peres Jepchirchir im Ziel. Die Kenianerin stellte bei idealen Bedingungen an der Ostseeküste mit 65:16 einen Weltrekord für reine Frauenrennen auf. Auch Melat Kejeta und die drittplatzierte Yalemzerf Yehualaw (Äthiopien/65:19) blieben unter der bisherigen Marke von 65:34. Melat Kejeta brach mit einer Zwischenzeit von 30:47 Minuten auch den deutschen 10-km-Rekord. Gleich drei Topfavoritinnen stürzten in diesem Rennen und hatten damit keine Medaillenchance mehr. Hinter der viertplatzierten Zeineba Yimer (65:39) folgten die hoch eingeschätzten Ababel Yeshaneh (beide Äthiopien/65:41) und Joyciline Jepkosgei (Kenia/65:58), die beide im letzten Teil des Rennens stürzten. Melat Kejeta führte das deutsche Frauen-Team zudem zu einer ebenso sensationellen Bronzemedaille hinter Äthiopien und Kenia.

 

Im Rennen der Männer triumphierte anschließend der 19-jährige Jacob Kiplimo (Uganda) mit einer Weltklassezeit und einem Meisterschaftsrekord von 58:49 Minuten. Als Zweiter folgte Kibiwott Kandie (Kenia/58:54), Dritter wurde Amedework Walelegn (Äthiopien/59:08). Rang vier belegte in seinem Debüt der 10.000-m-Weltrekordler Joshua Cheptegei mit 59:21. Eine überzeugende Leistung zeigte Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg), der mit einer sehr starken persönlichen Bestleistung von 61:36 Rang 35 belegte. Er stellte auch eine deutsche Jahresbestzeit auf. Amanal Petros (TV Wattenscheid) litt unter Seitenstechen und kam daher nur auf Platz 100 in 65:22 Minuten ins Ziel.

 

Das Rennen der Frauen

 

Bei kühlen Temperaturen von rund sieben Grad Celsius entwickelte sich bei den Frauen von Beginn an ein sehr schnelles Rennen. Eine zwölfköpfige Spitzengruppe hatte die 5-km-Marke nach 15:20 Minuten erreicht. Mit dabei war auch Melat Kejeta, die mit einer Bestzeit von 68:41 ins Rennen gegangen war. Überraschend ging sie dieses sehr hohe Tempo mit.

 

Kurz vor Kilometer zehn stürzte dann in einer engen Kurve die Titelverteidigerin Netsanet Gudeta, die in der Folge den Rückstand nicht mehr aufholen konnte. Sieben Läuferinnen erreichten dann die 10-km-Marke nach 30:47 Minuten. Diese Zeit wurde auch für Melat Kejeta gestoppt, so dass sie damit den deutschen Rekord von Irina Mikitenko gebrochen hat. Sie war 2008 in Karlsruhe 30:57 gelaufen.

 

Der nächste entscheidende Moment in diesem Rennen kam zwischen Kilometer 17 und 18. Nachdem Weltrekordlerin Ababel Yeshaneh (64:31 Minuten) die Initiative ergriffen hatte, stürzte sie zusammen mit Joyciline Jepkosgei. Die Kenianerin war ihrer Konkurrentin in die Ferse getreten. Und für beide war das Rennen um den Titel damit gelaufen. Sie konnten den Rückstand nicht mehr aufholen, denn die Spitzengruppe hielt das Tempo hoch. Zugleich fielen Zeineba Yimer und Yasemin Can (Türkei) zurück, so dass nur noch drei Läuferinnen vorne übrig blieben: Peres Jepchirchir, Yalemzerf Yehualaw und Melat Kejeta, die auch ein taktisch sehr starkes Rennen lief. Lange Zeit hielt sie sich am Ende der Gruppe laufend zurück – so gut es bei diesem Tempo ging.

 

Kurz vor dem Ziel sah es so aus als ob die Äthiopierin den WM-Titel gewinnen würde vor der Kenianerin und der Deutschen. Doch ein weiteres Missgeschick stellte diese Reihenfolge auf den Kopf. Vor der letzten Kurve weniger als 100 Meter vor dem Ziel bog der die Gruppe führende Radfahrer von der Strecke ab – kurzzeitig folgte ihm Yalemzerf Yehualaw in die falsche Richtung. Dadurch lief Peres Jepchirchir noch vorbei und triumphierte. Auf den letzten Metern überholte dann auch noch Melat Kejeta die enttäuschte Äthiopierin und rannte auf Rang zwei.

 

Melat Kejeta war die erste europäische Läuferin seit zwölf Jahren, die bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften eine Medaille gewann. 2008 wurde die aus Kenia stammende Lornah Kiplagat (Niederlande) Weltmeisterin über diese Distanz. Die beste deutsche Platzierung in der Geschichte dieser Titelkämpfe, die 1992 begann, erreichte zuvor Katrin Dörre-Heinig. Die heutige Marathon-Bundestrainerin war 1997 Sechste. „1:05:18 Stunden, das ist eine Hausnummer und absolute Weltspitze. Besser hätte es gar nicht laufen können. Ich fand vor allem den Mut beeindruckend, von Anfang an dieses hohe Tempo mitzugehen. Hut ab, sie hat alles richtig gemacht“, kommentierte Katrin Dörre-Heinig die Leistung von Melat Kejeta.

 

Melat Kejeta, die vom früheren Marathon-Bundestrainer Winfried Aufenanger in die internationale Spitze geführt wurde, brach in Gdynia bei ihrem Debüt im deutschen Nationaltrikot den 25 Jahre alten deutschen Rekord von Uta Pippig. Die Berlinerin war 1995 im japanischen Kyoto 67:58 gelaufen.

 

Eine sehr starke Leistung zeigte eine weitere deutsche Läuferin: Laura Hottenrott (TV Wattenscheid) steigerte sich auf der schnellen Strecke auf 70:49 Minuten und belegte damit Rang 26. Nicht an ihre persönliche Bestzeiten heran kamen Rabea und Deborah Schöneborn (beide LG Nord Berlin), die in 72:35 beziehungsweise 72:39 die Plätze 54 und 55 belegten. Fabienne Königstein (MTG Mannheim) lief auf Rang 87 in 77:03.

 

Das Rennen der Männer

 

Das Tempo im Rennen der Männer war in der ersten Hälfte des Rennens überraschend verhalten. Eine gute 20-köpfige Gruppe hatte die 10-km-Marke nach 28:23 Minuten erreicht. An der Spitze lief zu diesem Zeitpunkt der Debütant Joshua Cheptegei (Uganda), der nach seinen Weltrekorden über 5.000 und 10.000 m als der ganz große Favorit galt. Dass das Tempo nicht so schnell war wie erwartet, dürfte Cheptegei eigentlich entgegen gekommen sein. Denn es wirkte fast wie ein Warmlaufen für ihn.

 

Bei Kilometer 15 begann sich die elfköpfige Spitzengruppe auseinander zu ziehen, nachdem Kibiwott Kandie das Tempo angezogen hatte. Der Kenianer, der mit 58:38 die Jahresweltbestenliste anführt, setzte sich dann mit Joshua Cheptegei und dessen Landsmann Jacob Kiplimo ab. Während abwechselnd Kandie und Kiplimo, der bei der Cross-WM im vergangenen bereits die Silbermedaille gewonnen hatte, an der Spitze liefen, fiel Joshua Cheptegei rund drei Kilometer vor dem Ziel zurück. Gut einen Kilometer vor dem Ziel war es dann Kiplimo, der einen kleinen Vorsprung herauslaufen konnte und das Rennen schließlich gewann.

 

Seinen starken Aufwärtstrend bestätigte Simon Boch. Der 26-Jährige passierte die 10-km-Marke nach 29:06 Minuten auf Rang 45. Er hielt sein Tempo, machte noch zehn Plätze gut und kam als 36. in 61:36 ins Ziel. Damit verbesserte er sich um fast eine Minute – von 62:31 Minuten – und wurde zum sechstschnellsten Deutschen aller Zeiten. Platz 97 belegte Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg) in 64:45, als 100. folgte dann Amanal Petros (65:22). Tobias Blum (LC Rehlingen) lief 65:33 und belegte Platz 104. In der Teamwertung, die Kenia vor Äthiopien und Uganda gewann, belegten die deutschen Läufer Rang 16.

 

Ergebnisse, Männer:

  1. Jacob Kiplimo UGA 58:49
  2. Kibiwott Kandie KEN 58:54
  3. Amedework Walelegn ETH 59:08
  4. Joshua Cheptegei UGA 59:21
  5. Andamlak Belihu ETH 59:32
  6. Leonard Barsoton KEN 59:34
  7. Stephen Mokoka RSA 59:36
  8. Morhad Amdouni FRA 59:40
  9. Benard Kimeli KEN 59:42
  10. Leul Gebresilase ETH 59:45

 

Frauen:

  1. Peres Jepchirchir KEN 65:16
  2. Melat Kejeta GER 65:18
  3. Yalemzerf Yehualaw ETH 65:19
  4. Zeineba Yimer ETH 65:39
  5. Ababel Yeshaneh ETH 65:41
  6. Joyciline Jepkosgei KEN 65:58
  7. Yasemin Can TUR 66:20
  8. Netsanet Gudeta ETH 66:46
  9. Brillian Kipkoech KEN 66:56
  10. Rosemary Wanjiru KEN 67:10

 

Text: race-news-service.com

Fotos: photorun.net, Christoph Kopp/ISS

Melat Kejeta bei der Siegerehrung in Gdynia neben Weltmeisterin Peres Jepchirchir und der drittplatzierten Yalemzerf Yehualaw. | Foto: Christoph Kopp / ISS